Nachgedacht

Ehrenamt – eine Aufgabe für Dumme ?

Das Jahr 2001 soll das Jahr des Ehrenamtes gewesen sein. Ich habe es zufällig im September des Jahres 2002 erfahren.

Auf einem Kreistag der Fußballer sagte der Bundestagsabgeordnete Peter Janssen in seinem Grußwort, ein Ehrenamt sei »viel Amt und wenig Ehr«. Trotz Wahlkampf: Kopfnicken bei den Vertretern aller Couleur und bei den mehr als 100 anwesenden Ehrenamtlichen.

Das war 'mal anders: Als ich als junger Lehrer meinen Dienst in einem Dorf in Ostfriesland antrat, galten der Bürgermeister und der Vorsitzende des Sportvereins bei der Bevölkerung als ungekrönte Könige. Und das Ansehen, das der damalige Vorsitzende des Kreissportbundes bei den Sportlern genoss, konnte durchaus mit dem Image des Oberkreisdirektors konkurrieren.

Den Bruch gab es, als der Sportbund die Honorierung der Übungsleitertätigkeit u.a. aus Toto- und Lottomitteln durchsetzte. Es entstand eine 2-Klassengesellschaft in den Vereinen: Einerseits die Trainer, deren Salär übrigens zu einem Drittel aus der Vereinskasse aufgestockt werden musste, und anderseits die für das Management Verantwortlichen, die sich verständlicherweise »abgewertet« fühlten. (Damit kein falscher Eindruck entsteht: Die Bezahlung der Übungsleiter hat sich sowohl für den Breiten- als auch für Leistungssport als sehr förderlich erwiesen).

In einer Gesellschaft, in der das Geld eine dominierende Rolle spielt, ließ die Bereitschaft, sich für ein unentgeltliches Amt zu engagieren, in den letzten Jahrzehnten merklich nach. »Kampfabstimmungen« wegen mehrerer Bewerber und geheime Wahlen sind rar geworden. So ist jeder Vorstand heutzutage froh, wenn er eine komplette »Kandidatenliste« vorlegen kann. Gewählt wird häufig »en bloc«. Die Wahlen der 49 Mitarbeiter im NFV-Kreis Aurich dauerten gerade einmal 120 Sekunden ...

An der Einsicht, dass die Ehrenamtlichen in unserer Gesellschaft unverzichtbar sind, mangelt es nicht. Ohne die rund 3 Millionen(!) unbezahlten Helfer liefe im Sport, in der Kirche, in den Parteien, in den Wohlfahrtsverbänden, in den Gewerkschaften und in vielen, vielen anderen Organisationen nichts. Was kann man tun, um dieses wertvolle gesellschaftliche Potential zu erhalten?

Die geläufige Forderung, dass man sich selbst um einen Nachfolger zu bemühen hat, wenn man ein Amt wieder abgeben möchte, wirkt eher abschreckend.

Punktuelle Stützungsmaßnahmen wie das »Jahr der Ehrenamtlichen« oder eine Aktion des Deutschen Fußballbundes zugunsten des Ehrenamtes erwiesen sich als wenig effizient.

Die Maßnahme des DFB wurde durch ihren Präsidenten Mayer-Vorfelder konterkariert, der sich »stikum« (ostfr., es gibt im Hochdeutschen keinen treffenderen Ausdruck) eine Aufwandsentschädigung von satten 150 000 Euro für die Leitung seines ohnehin finanziell schon arg gebeutelten VfB Stuttgart auszahlen ließ, wie die Stuttgarter Nachrichten herausfanden. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der unangemessen hohen Vergütung. Reich werden können dagegen können die »Untertanen« des DFB-Präsidenten nicht: Der DFB gewährt den ehrenamtlichen Mitarbeitern ein Tagegeld von etwa 16 EUR (bei 24-stündiger Abwesenheit).

Mit Geld lässt sich das Engagement der Ehrenamtlichen ohnehin nicht angemessen honorieren. Die aus der Schulzeit gefürchtete Dreisatzrechnung gibt Aufschluss: Wenn eine Person am Tag 20 Minuten ehrenamtlich tätig ist und diese Arbeit mit 8.- EUR/Stunde bezahlt würde, wie hoch ist dann die Leistung aller Ehrenamtlichen (3 Mill.) im Jahr zu bewerten? Der Taschenrechner weist 2 880 000 000,- EUR aus.

Mit Knete ist also wohl nichts zu machen. Motivierend für die Übernahme eines Amtes mag sein, dass manche Funktionäre versuchen, ein wenig vom Glanz der Bundesliga abzubekommen: Bis ´runter zur Oberliga bezeichnen sich mittlerweile die Vereinsvorsitzenden als »Präsidenten«, »Manager« organisieren Bezirksvereine und bereits auf Kreisebene werden Trainer »verpflichtet«. Der Masse der Ehrenamtlichen ist mit solchen »Begrifflichkeiten« jedoch nicht gedient.

Dass ihre Tätigkeit trotzdem geschätzt wird und wie sehr sie anerkannt wird, erfahren viele derjenigen, die ihre Arbeitskraft unentgeltlich dem Wohl der Allgemeinheit widmen, bedauerlicherweise wegen einer Verspätung um wenige Tage nicht mehr: Todesanzeigen künden von ihren großen Verdiensten, von der Lücke, die sie hinterlassen, und davon, dass die Verstorbenen kaum zu ersetzen sind. Berge von Kränzen türmen sich auf den Gräbern. Aber die »letzten Grüße« vermögen die so Geehrten nicht mehr zu lesen....

Mit einer Sprachübung zum Konjunktiv (Möglichkeitsform) möchte ich meine Überlegungen beenden: Hätte man den Männern und Frauen, die sich für das Wohl anderer eingesetzt haben, schon zu Lebzeiten häufiger mit einem (kostenlosen) Dankeschön ermuntert, hätte man ihnen für den Bruchteil der Kosten, die nach ihrem Ableben entstanden, kleine Aufmerksamkeiten zukommen lassen, um ihnen zu zeigen, wie wertvoll ihr Einsatz ist, wäre dem Ehrenamt mehr gedient. Und würde man das Geld für die bald dahinwelkenden Kränze einem guten Zweck zuführen, z. B. Kindern aus Hungergebieten das Überleben sichern, könnte man den so Geehrten ein zusätzliches (dauerndes) Denkmal setzen.

Wenn aus dem Konjunktiv ein Indikativ (Realität) würde, stürbe es sich schöner, glaubt

Ihr
Ubbo Voss